Frühjahrslebenszeichen

Dienstag, 06.05.2014

Nach längerer Zeit kommt jetzt endlich noch einmal ein Update von mir. Da seit dem letzten Eintrag wirklich ganz schön viel passiert ist werde ich leider nicht über alles schreiben können.
In Kurzform sah es ungefähr so aus:

- Irgendwas zwischen Januar un Feburar ist passiert. Kann nicht so wichtig gewesen sein, da es mir spontan nicht einfällt -

Ab Februar:

Mein Bruder war zu Besuch. Wir waren unter anderem in San Francisco.Währendessen waren zwei Freunde von mir waren zu Besuch. Nach viel Unternehmungen (u.a. NY und D.C.) und einer Menge Spaß sind diese nach zwei Wochen wieder abgereist.
Nach insgesamt fünf Wochen ist auch mein Bruder wieder abgereist.
Ich hatte ca. zwei Wochen ein wenig Ruhe.
Dann sind meine Eltern samt Bruder und Schwester über Ostern zu Besuch gekommen. Auch diese sind nach zwei Wochen wieder abgereist. Einen Tag später bin ich zu unserem Halbjahres-Seminar nach Washington D.C. gefahren. Und von dort bin ich Samstag zurück gekommen.

Wie man sehen kann waren die letzten Monate von viel Besuch und Reisen geprägt. Dazu kamen dann natürlich noch Erlebnisse auf der Arbeit die allerdings nicht mehr so präsent in meinem Kopf sind.

Ganz frisch ist dagegen noch die Erinnerung an unser bereits erwähntes Seminar. Zu diesem Zweck sind alle Freiwilligen unserer Organisation hier in den USA in Washington zusammen gekommen um gemeinsam Erfahrungen und Eindrücke aus den Projekten zu reflektieren, aber auch um einige neue Denkanstöße zu bekommen.

Die Idee des Programmes war, möglichst alle Arbeitsfelder in denen unsere Freiwilligen arbeiten abzudecken. Zu Beginn stand aber natürlich trotzdem erst einmal ein wenig Sightseeing und zu diesem Zweck haben wir uns in Kleingruppen und mit bestimmten Aufgabensstellungen verschiedene Memorials angeschaut und anhanddessen später einen Vergleich der Erinnerungskultur in den USA und Deutschland angestellt.

Nach diesem "Eingewöhnungstag" stand dann das erste größere Event an: Im Göthe-Institut haben wir uns den Film "Hannahs Reise", der momentan auch in Deutschland im Kino läuft, zusammen mit verschiedenen Gästen angeschaut und im Anschluss daran gab es eine kurze Podiumsdiskussion mit einer unserer Freiwilligen und einer amerikansichen Jüdin, die über ihre Erfahrungen bei ihrem ersten Deutschlandbesuch erzählte.
Der Film handelt von Hannah, die um ihren Lebenslauf aufzubessern, einen Friedensdienst bei "Aktion Friedensdienste" (Die Ähnlichkeit des Namens zu "Aktion SÜHNEZEICHEN Friedensdienste" ist verblüffend...) in Israel ableistet. Es kommt wie es kommen musste und sie verliebt sich in einen jungen Israeli und die Geschichte nimmt ihren Lauf...Ich möchte ja hier nichts vorweg nehmen für diejenigen die den Film noch sehen möchten. ;-)

Der Film war durchaus interessant, auch wenn er von einem Großteil der Freiwilligen sehr kontrovers diskutiert wurde. Das was ich aber viel spannender fand, war die Podiumsdiskussion im Anschluss daran.
Courtney (ich glaube das war ihr Name) war im Rahmen des inzwischen zu ASF gehörenden Programmes "Germany Close Up" nach Deutschland gereist und hatte sich dort neben vielen anderen Dingen auch das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin angesehen. Dort sei sie unvermittelt in Tränen ausgebrochen. Allerdings nicht aus den vielen Gründen die man annehmen könnte, aufgrund der Schrecklichkeit des Holocausts oder auch der Tatsache, dass sie selber Jüdin ist.
Der Grund war Wut. Wut darüber, dass das Denkmal so abstrakt dargestellt ist, dass es in ihren Augen die Aussagen, die es eigentlich haben sollte verschleiert und in keiner Weise spezifisch an den Holocaust erinnernt. Das war für mich persönlich eine Ansicht über die ich noch nie in dieser Hinsicht nachgedacht hatte, da ich nie den Sinn in so krassen Darstellungen wie den Bildern der Leichen in Holocaust-Museen gesehen habe.

Außerdem erzählte sie noch davon wie ihre Großmutter, selbst überlebende des Holocausts, vollkommen entsetzt war als sie von den Plänen ihrer Enkelin hörte, das Land zu besuchen das ihr so unfassbares Leid zugefügt hatte. Das ging soweit dass die Großmutter ihr verbieten wollte nach Deutschland zu reisen, da sie fest davon überzeugt war, dass ihre Enkelin nicht mehr zurückkommen würde weil man sie in Deutschland festhalten würde.
Dieser Teil hat mich sehr betroffen gemacht, da ich den Sinn dieses Friedensdienstes auch ein Stück weit darin sehe im Ausland das Bild eines neuen Deutschlands zu vermitteln in dem Meinugsfreiheit und Demokratie wichtige Grundwerte sind und in dem sich die Gesellschaft zu wehr setzt wenn Unrecht passiert.
Nun zu sehen, dass es Menschen gibt die noch immer eine immense Angst vor dem Land haben in dem ich aufgewachsen bin und in dem ich mich (zumindest weitesgehend) wohl und frei fühle hat mich ziemlich traurig gestimmt.
Auf der anderen Seite zeigt es mir einmal mehr, dass es gut ist was ASF tut und dass es einen Sinn hat.

Weitere Programmpunkte waren noch ein Vortrag einer Frau, die im Alter von sechs Jahren mit ihren Eltern von Deutschland nach Amerika ausgewandert ist und nun als Lobbyistin für eine Menschenrechtsorganisation arbeitet, die sich für Flüchtlinge einsetzen, ein Vortrag einer amerikanischen Autorin die sich mit (deutscher) Versöhnungspolitik beschäftigt, ein Empfang im Kongress zur Veröffentlichungen eines Buches über die zerstörten Synagogen in Deutschland während der NS-Zeit zu dem wir eingeladen waren und einige andere Dinge.

Vor allem war es aber schön die anderen Freiwilligen wieder zu sehen Zeit zusammen zu haben. Währenddessen habe ich auch den Flug für meinen Chicago Besuch Anfang Juni besucht, auf den ich mich wahnsinnig freue!

Ich hoffe es ist durchgeklungen, dass es mir gut geht und ich immer noch sehr gut zurecht komme. Acht Monate sind nun schon vergangen und so langsam aber sicher muss ich schon Vorbereitungen für die Zeit nach meinem FSJ treffen. Verrückt.

Viele liebe Grüße aus Camden

Christopher

 

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Martin-Luther-King, mein erstes Konzert in Philly und der nächste Schneesturm

Freitag, 24.01.2014

Schon der zweite wichtige Feiertag in den USA im neuen Jahr ist nun vorrüber und natürlich habe ich mal wieder nicht frei.
Martin-Luther-King-Day (MLK-Day). Öffentlich nicht besonders groß zelebriert aber dennoch für viele Amerikaner einer der wichtigsten Tage im Jahr. Das wurde mir in unserem Gottesdienst am Sonntag vor dem MLK-Day, sehr persönlich deutlich.

Unsere Gemeinde ist, typisch für Camden, kulturell recht vielfältig. Auf der einen Seite gibt es einige Weiße (oder wie sagt man das politisch korrekt?!), die vor allem noch aus Zeiten stammen, in denen es Camden wirtschaftlich deutlich besser ging und überwiegend von Weißen bewohnt wurde. Im Laufe der Jahre kamen aber immer mehr Menschen aus anderen Kulturen hinzu und so ist Camden inzwischen vor allem von Hispanics (Südamerikanern/Spaniern) und Afro-Amerikanern dominiert.
Um letztere geht es logischerweise am MLK-Day.

Eine unserer ältesten Gemeindemitglieder ist eine Afro-Amerikanische Frau, die (soweit ich das weiß) ziemlich politisch engagiert ist.
Während des anfangs genannten Gottesdienstes stand diese ältere Dame nun auf, ging nach vorne und begann zu erzählen, welche Bedeutung Martin-Luther-King für sie habe.
Ihre Erzählungen handelten anfangs von ihrer eigenen Mutter und Großmutter, die die Rassentrenunng in den USA noch am eigenen Leib erfahren mussten.
Beide hätten vor vielen Jahren in den Haushalten von reichen, weißen Menschen geputzt um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Interessanterweise sei ihre Mutter aber immer voll des Lobes für diese Familien gewesen und vor allem die Kinder hätten die Mutter unseres Gemeindemitgliedes sehr gemocht.
Eines Tages wollte die Familie dann essen gehen und auch die Afro-Amerikanische Mutter sollte mitkommen. In dem ersten Restaurant in das sie einkehren wollten, wurde ihnen dann allerdings vom Besitzer am Eingang klar gemacht, dass die Familie sehr willkommen sei, Afro-Amerikaner allerdings nicht erwünscht wären.
Die Familie entschloss sich in ein anderes Restaurant zu gehen, wo alle zusammen essen konnten.
Dies sei natürlich nur ein Beispiel von unzähligen gewesen, bei denen ihre Mutter diese Ausgrenzung ganz offen gespürt hatte.


Nachdem Sie am Ende ihrer Rede noch dazu aufrief gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen, wenn sie uns begegne, stimmte sie ein mir unbekanntes Lied an, ging ein paar Schritte in Richtung der Kirchenbänke und nach und nach standen alle Gottesdienstbesucher auf, fassten sich an den Händen und stimmten in das Lied ein.
Das war für mich persönlich ein total berührender Moment und eine spannende Erfahrung.


Auch von meinem zweiten Projekt, New Visions, gibt es Neuigkeiten. Die Kirche in der all unsere Arbeit stattfindet, wird spätestens im März diesen Jahres den Expansions-Plänen des immer größer werdenden Krankenhauses in Camden, dem Cooper-Hospital zum Opfer fallen. Viele Jahre hat sich New Visions dagegen gewehrt mit dem Argument, dass die Kirche unter Denkmalsschutz steht. Soweit ich informiert bin, ist allerdings inzwischen der Denkmalsschutz erloschen, da die Gebäudesubtanz beschädigt ist.
Das bedeutet für uns dass wir umziehen müssen und deswegen wahrscheinlich ab März in das Gebäude von St. Joseph's, einem nach großen Renovierungsarbeiten gerade wieder eröffneten Übernachtungshaus für Obdachlose. Allerdings steht das soweit ich weiß noch ein bisschen in den Sternen.


Anfang dieser Woche habe ich es nun endlich zum ersten Mal geschafft zu einem der vielen tollen Konzerte zu gehen, die regelmäßig in Philadelphia und Camden (Ja, auch in Camden!) stattfinden.
Auch wenn dort drei Death-Metal-Bands gespielt haben - also eigentlich nicht mein Genre - hat es echt total Spaß gemacht endlich mal wieder auf ein Konzert zu gehen und ich hoffe, dass ich das in Zukunft häufiger schaffen werde.

Außerdem habe ich nach einigen Planungen nun endlich meinen Flug nach San Francisco und die Unterkunft dort für Ende Feburar gebucht und freue mich seitdem wahnsinnig auf meinen ersten richtigen Urlaub! Ich habe das Gefühl jeder Amerikaner ist der Meinung, dass San Francisco eine der tollsten Städte der USA ist und deswegen bin ich echt gespannt wie mein Eindruck und vor allem auch der erste Eindruck der Westküste sein wird.


Das war es fürs erste schon wieder und ich bin nun gespannt ob ich morgen zur Arbeit gehen kann, da heute Nach der nächste Eissturm über Philadelphia/Camden ziehen soll.

Viele Grüße aus dem verschneiten Camden

Christopher

 

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Weihnachten und Neujahr in den USA

Dienstag, 07.01.2014

Frohes neues Jahr 2014! Mein erster Post im neuen Jahr geht nun online. 4 Monate in den USA liegen bereits hinter mir. Immer wenn ich bisher gesagt habe „Nächstes Jahr sehen wir uns wieder!“ heißt es plötzlich „Dieses Jahr sehen wir uns wieder.“ Ganz komisch. Und damit ist nun auch das erste Drittel meines FSJs bereits abgeschlossen. Eine Menge Erlebnisse liegen hinter mir und ich bin bereits jetzt froh, dass ich den Schritt in die USA gemacht habe.

Das erste Mal habe ich nun auch Weihnachten nicht mit meiner Familie verbracht. Gerade das fiel mir besonders schwer, da Weihnachten (zumindest bei mir) nun mal immer ein Fest der Familie war. Und vor allem auch ein Fest bei dem man sich ganz bewusst Zeit für die Familie nimmt. Doch auch in kleiner Runde (ich habe nur mit meiner Mitbewohnerin und zwei Leuten aus der Gemeinde gefeiert) kam an Heiligabend ein wenig Weihnachtsstimmug auf.
Einen Tag später, am 25. Dezember, waren wir dann bei unserem, bereits in vorigen Posts erwähnten LBA Mark, der uns zusammen mit den anderen Philly-Freiwilligen und einigen Freunden zum Dinner eingeladen hatte. Dort kamen eine Menge lustige Gespräche auf und irgendwie war es doch schön, obwohl ich hier bin um die amerikanische Kultur kennen zu lernen, Weihnachten, zumindest teilweise, mit einige deutschen Freunden zu verbringen.

Da ich mir über die Neujahrstage frei genommen hatte und auch die Schule geschlossen war (meine Mitbewohnerin hatte somit auch frei) haben wir uns entschlossen für einige Tage nach Washington D.C. zu fahren um dort mit einigen anderen Freiwilligen in das neue Jahr zu starten. Nebenbei hatten wir dann auch, im Gegensatz zu unserem ersten Besuch in Washington, die Möglichkeit in Ruhe die Stadt zu erkunden und vor allem einige Museen zu besuchen. Mich hat vor allem interessiert zu sehen, wie die Amerikaner selbst ihre Rolle in der Geschichte betrachten, da man häufig den Eindruck bekommt, dass dies relativ unreflektiert geschieht und sich zu wenig kritisch mit der eigenen Geschichte auseinander gesetzt wird (z.B. Sklaverei).
Und außerdem sind die meisten Museen auch noch kostenlos. ;-)

In Camden habe ich in der Zeit natürlich relativ wenig erlebt, da ich erst am Wochenende wieder richtig angefangen habe zu arbeiten und deswegen auch nicht so viel Zeit hier verbracht habe.
Allerdings gab es in der letzten Zeit eine Menge Kontroversen über zwei Zeitungsartikel die über Camden veröffentlicht wurde.
Der erste ist ein sehr langer Bericht und erschien bereits Anfang Dezember im Rolling-Stone-Magazin, einem (soweit ich weiß) ziemlich bekannten Magazin hier in den Vereinigten Staaten. (Hier nachzulesen)

Schon nach den ersten Zeilen dieses Artikels, hatte ich das Gefühl auf journalistische Arbeit unterhalb des "BILD"-Niveaus zu treffen. Der Autor fragt einige ausgewählte Personen, behauptet alle in Camden wären so und schon haben die Bilderbuch-Vorstellung der schlimmsten Stadt Amerikas bestätigt. Oder so ähnlich.
Auf diese Weise ist es ein Kinderspiel jede X-beliebige Stadt der Welt als die Hölle auf Erden dazustellen. Aber es ist einfach absolut unseriös und nicht der Wahrheit entsprechend.
Weiter geht es mit der Behauptung, die Polizei in Camden hätte vor einigen Jahren quasi aufgegeben. Gemeint ist damit die Entlassung von ca. der Hälfte der Polizei vor einigen Jahren aufgrund von finanziellen Einsparungsmaßnahmen der Stadt. Dass aber erst vor kurzem der Staat New Jersey die Polizei-Arbeit übernommen und die Anzahl an Polizisten verdoppelt hat wird natürlich mit keinem Wort erwähnt - wäre ja positiv. Gibt es in Camden nicht.
Nun wird es noch abstruser. Der Autor "stellt fest" seit September gäbe es in Camden keinen Supermarkt mehr. Nun, ich weiß nicht wie man das große Gebäude in East-Camden, wo ich regelmäßig einkaufen gehe bei der Rolling-Stone-Redaktion nennt, aber ich war fest davon ausgegangen es sei ein Supermarkt.
Dass man einen Text einseitig schreibt ist ja noch in irgendeiner Weise annehmbar. Nicht seriös, aber auch nicht verboten.
Aber dass man Unwahrheiten aufgrund fehlender Recherche als Tatsachen dastellt, verärgert mich dann doch ziemlich.
Der Artikel geht noch deutlich länger, allerdings würde das hier zu weit führen. Zu bemerken wäre zum Beispiel noch, dass all die positiven Bestrebungen, die hier erkennbar sind nicht erwähnt werden. Ist ja Camden. Positiv gibts hier nicht.
Aber es hat mich enfach sehr geärgert so einen Artikel zu lesen, der dann dazu beiträgt, dass Camden genau das Image behält, dass es aufgrund solcher Geshichten überhaupt erst hat.

Der zweite Artikel erschien aufgrund der Kälte und den damit verbunden Schwierigkeiten für die Obdachlosen in der Courier Post und ist hier nachzulesen.
Auch dieser Artikel ist mit Vorsicht zu genießen, aber es gibt einige Bilder von meiner Arbeitsstelle und mein Chef kommt auch zu Wort. ;-)

Das soll es fürs erste gewesen sein.
Viele Grüße aus dem bitterkalten Camden


Christopher

 

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Code Blue in Camden!

Freitag, 13.12.2013

Spätestens seit heute habe ich die Hoffnung aufgegeben, dass der erste Wintereinbruch hier bei uns nur vorrüberegehen ist und dass es vielleicht doch noch ein klitzekleinen "Indian Summer" geben wird.
Heute wurde in Camden nämlich "Code Blue" ausgerufen. Dies ist eine Sonderregelung um die Obdachlosen vor dem Erfrieren zu schützen. Die konkrete Folge ist, dass die Regierung (Stadt, Kreis, Staat oder was auch immmer. Ich verstehe das alles nicht so richtig hier...) dafür sorgen muss, dass es genug Nacht-Shelter für alle Obdachlosen geben muss und dass diese aus Öffentlichen Einrichtungen wie Bahnhöfen, Polizeiwachen usw. nicht mehr rausgeschmissen werden können. Außerdem sind einige Institutionen nun dafür zuständig abends bzw. nachts Obdachlose, die noch im Freien schlafen, dazu zu bewegen eine warme Schlafmöglichkeit aufzusuchen.
Das wurde gestern Nacht, als ich aus Philadelphia nach Hause kam direkt deutlich, da sich nun deutlich weniger Obdachlose am "Busbahnhof" aufhielten und nun auch einige in den öffentlichen Einrichtugen schliefen.
Es ist zwar ziemlich traurig, dass es so viele Menschen gibt, die auf so eine Regelung hier angewiesen sind, aber ich bin dennoch froh, dass all diese Menschen, von denen ich nun auch einige persönlich kenne, nicht in Gefahr sind zu erfrieren.

 

Bevor es weitergeht muss ich mich aber jetzt erst einmal kurz dafür entschuldigen, dass es hier in letzter Zeit ein wenig ruhiger geworden ist. Das liegt zum einen daran, dass es bei beiden Arbeitsstellen in letzter Zeit eine ganze Menge zu tun gab. Erst Thanksgiving, dann Adventszeit und Vorbereitungen für Weinachten. Dann kam noch unser erstes Zwischenseminar dazu, was dafür sorgte, dass ich vor allem in der Gemeinde einiges Vor-Arbeiten musste. Und abgesehen von eingen kleineren Dinge die einige Zeit geraubt haben, schreibe ich gerade auch noch an meinem ersten Projektbericht, der in den nächsten Tagen fertig sein muss.
Trotzdem möchte ich aber alle kurz auf den neusten Stand bringen.

1. Thanksgiving

Thanksgiving begann für uns in Camden an dem Abend vor Thanksgiving, mit einem Dinner welches für die Obdachlosen unseres Shelters und einige andere organisiert wurde.
Mein Chef hatte mich vorher gefragt, ob ich Lust hätte zu kommen und ich könnte auch gerne meine Mitbewohnerin mitbringen.
Also fuhren wir an besagtem Tag mit einem Bus und ca. 50 Klienten zusammen von New Visions in die Suburbs, wo das Dinner stattfinden sollte. Dort angekommen, war schon alles vorbereitet. Es gab viele runde Tische, an denen jeweils acht Personen saßen. Für jeden Tisch gab es eine eigene "Kellnerin", die all' unsere Wünsche erfüllte.
Nach dem reichhaltigen Essen ging das Event in einen offenen Abend über, an dem eine Liveband für Stimmung sorgte und viele der Klienten und auch einige Mitarbeiter ausgelassen tanzten.
Bevor es dann wieder zurück ging, wurden alle Klienten noch mit Jacken, Socken, Decken und allem was sie sonst noch brauchten aussgestattet.
Als wir dann wieder bei New Visions angekommen waren, war ich eigentlich echt glücklich, weil ich das Gefühl, dass die Obdachlosen endlich mal einen schönen Tag hatten und jemand sie in den Mittelpunkt gestellt hat anstatt sie an den Rand zu drängen.
Doch als dann alle aus dem Bus stiegen und sich langsam entfernten wurden diese positiven Gedanken von der Gewissheit verdrängt, dass ich mich nun auf den Weg nach Hause in mein warmes Bett machen werde und all diese Menschen nun irgendwo in einem Zelt, unter einer Brücke oder einfach im freien schlafen werden und sich auch trotz dem einen schönen Abend nichts an ihrem Leid geändert hat.

Am eigentlichen Thanksgiving waren wir kurzfristig von einer Familie aus unserer Gemeinde eingeladen worden. Leider musste die Mutter schon um vier Uhr arbeiten weswegen das eigentlich "Dinner" gegen zwei Uhr begann. Wie das an Thanksiving nun mal so ist gab es viiiiiiieeeel zu essen und man saß einfach nett beisammen. Abends fuhren wir dann noch mit dem 19-jährigen Sohn ins Kino was auch echt nett war, da wir eigl. noch fast kein Kontakt zu gleichaltrigen Amerikanern haben.

 

2. Zwischenseminar:

Von letzer Woche Donnerstag bis Sonntag hatten wir uns erstes Zwischenseminar in Philadelphia.
Zum einen stand dabei natürlich die Besprechung unserer ersten Erfahrungen aus den Projekten im Mittelpunkt. Zum anderen hatten wir als weiteres Thema noch unsere familienbiografischen Hintergründe. Dafür sollten wir im Vorfeld ein wenig im Kreise unser Familie recherchieren. Das hat (soweit ich weiß) den Grund, dass wir bzw. ASF sich sehr viel mit Themen wie Holocaust, drittes Reich, usw. beschäftigt aber viele von uns gar nicht wissen, welche Rolle unsere eigenen Vorfahren während dieser Zeit gespielt haben.
Leider habe ich nicht genug Zeit noch genauer auf inhaltliche Aspekte einzugehen, allerdings war es sehr interessant.
Vor allem war es aber natürlich schön, die ganzen Freiwilligen, die über einen Großteil der Ostküste verteilt sind wiederzusehen.
Doch genau das wurde fast alle am Sonntag, dem Tag der Rückreise zum Verhängniss. Ein Schneesturm hatte sich relativ plötzlich vom mittleren Westen süd-östlich Richtung Küste ausgebreitet und einen Großteil des Flug- und Busverkehrs zum Erliegen gebracht. Während alle, die mit dem Bus nach Hause fahren sollten, bereits am Bahnhof warteten, verfolgten die verblieben im Live-Ticker online, wie die Verspätung der Flüge gegen unendlich anstieg, bis nach und nach alle gecancelt wurden. Nachdem auch die Highways gesperrt wurden, erwischten unsere New York - Freiwilligen einen der letzten Busse, die Philly verließen und waren somit die einzigen, die keine weitere Nacht im Hostel verbringen mussten/durften. Über Nacht hatte sich der Sturm aber glücklicherweise gelegt und so konnten am Montag alle (fast) problemlos nach Hause fliegen.
Und als ob dieser ganze Stress nicht schon genug wäre, fiel eine unserer Freiwilligen am Sonntag-Abend während dem gemeinsamen Film schauen, über einige Beine drüber und schließlich mit dem Kinn genau in die Ecke einer Kommode. Die Folge war ein tiefer Schnitt, Krankenhaus-Besuch kurz vor Mitternacht nach einem ohnehin schon stressigen Tag und eine mit sechs Stichen genähte Wunde.
Der Freiwilligen geht es aber inzwischen zum Glück wieder besser!

 

Das soll es jetzt schon gewesen sein. Leider schaffe ich es momenatn aus bereits genannten Gründen nicht, ausführlicher und regelmäßiger zu posten.
Ich hoffe das wird wieder besser.

Viele Grüße aus dem verschneiten Camden!

Christopher

 

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Westchester, Thanksgiving und eine doch nicht links-liberales Elternhaus

Donnerstag, 21.11.2013

Mittwoch, 13.11. Höchst-Temperatur: 5°C. Der Winter hält Einzug. Auch in Camnden. Dachte ich.
Sonntag, 17.11. Höchst-Temperatur: 21°C. Es wird wohl doch noch nicht kalt. Ist ja Camden. Dachte ich.
Heute, 21.11.    Höchst-Temperatur: 5°C. Neue Erkenntnis: In Camden hält sich das Wetter nicht an Jahreszeiten.

Egal ob nun Winter oder nicht. Auch in Camden haben wir nun bereits einige kalte Tage hinter uns. Die ersten davon musste ich leider - aufgrund der engen Bestimmungen der Lufthansa, die es mir leider nicht erlaubten meine Winterjacke mitzunehmen - ohne warme Jacke durchstehen. Da ich keine Lust hatte mir hier eine neue Jacke für mindestens 100 Dollar zu kaufen, waren meine Eltern so freundlich mir meine Jacke hinterherzuschicken.
Allerdings wohl nicht schnell genug, denn die liebenswerten Mitarbeiter bei mir im Shelter hatten wohl Mitleid mit mir und versprachen mir schon am ersten kalten Tag in unserer Clothing-Area nach einer Jacke für mich Ausschau zu halten. Einen Tag später brachte mir dann Radio, einer der Mitarbeiter (glaube ich...manchmal kann man das dort nicht so genau sagen), eine Jacke von sich zu Hause mit. Meine Abwehrversuche á la "Meine Jacke aus Deutschland ist doch schon unterwegs und außerdem gibt es hier doch viele Leute, die die viel eher brauchen als ich" wurden bedingslos abgeschmettert.

Anfang dieser Woche kam dann auch meine Jacke aus Deutschland an. Zusammen mit zwei sehr lieben Grüßen meiner Familie und einer Packung Brühwürfel. Die hat mein Bruder bei seinem Freiwilligendienst in den USA wohl schmerzlich vermisst. Da meine Kochkünste nicht im Ansatz an die meines Bruders heranreichen, bin ich mal gespannt ob ich dafür noch Verwendung finde, aber das Jahr ist ja noch lang.

Noch ohne meine Jacke aus Deutschland, aber dafür mit umso mehr Vorfreude auf das Wochenende ging es letzte Woche Freitag mit U-Bahn und Bus Richtung West-Chester - einem ziemlich reichen Vorort von Philadelphia.
Dort waren wir, die Philly- und Camden-Freiwilligen, für ein Wochenende bei David, einem Unterstützer von ASF in den USA eingeladen. Ich kannte David bereits, da ich auf dem Host-Weekend während unserer Orientierungstage bereits das Vergnügen hatte, eine Nacht bei ihm zu wohnen und ihn kennen lernen zu dürfen.
David ist Künstler und, wie diese eben sind, ein bischen verrückt - allerdings auf eine wahnsinnig nette, lustige und liebenswerte Weise.
Dementsprechend waren unsere einzigen außerhäuslichen Aktivitäten (abgesehen von ausgedehnten Spaziergängen) auch nur die Besuche von Kunst-Galerien, Künstler-Studios, Kunst-Festivals und Künstlern - was deutlich mehr Spaß gemacht hat, als man erst einmal vermutet.
Trotz dieses Kulturprogramms waren wir im Grunde die meiste Zeit bei David zu Hause, ließen uns von ihm bekochen, schauten DVDs und ließen es uns einfach gut gehen. Es war wirklich der reinste Urlaub für uns alle und es tat wahnsinnig gut, mal aus unserem Alltag in Camden rauszukommen.

                                      

Dieser ging dann am Montag mit der Arbeit im Shelter weiter. Dort braucht man momentan nicht auf das Thermometer gucken, um zu sehen wie kalt es ist. Man sieht es an der Anzahl der Obdachlosen die bei uns auftauchen um nicht draußen in der Kälte sein zu müssen. Da werde ich einfach immer wieder dran erinnert, wie viele Menschen auch in unserer "zivilisierten, westlichen" Welt in totaler Armut leben.

Am Dienstag wurden wir von einem Mann aus unserer Gemeinde abgeholt und zum ersten Mal zum Karate-Training mitgenommen. Er ist dort Trainer und hatte uns abgeboten uns alles mal zu zeigen. Und da wir momentan nun mal immer noch nichts gefunden haben, wo wir regelmäßig Sport treiben können, haben wir kurzerhand zugesagt.
Das Trainig selber war dann zwar ganz lustig, aber eigentlich nicht so das, was wir neun Monate lang machen möchten. Mal schauen wie das so weiter geht.

Ansonsten ist nicht besonders viel passiert, allerdings steht natürlich inzwischen alles im Rahmen der Thanksgiving-Vorbereitung - ein riesen Ding in Amerika. Heute haben wir dann auch endlich noch eine Einladung von einer Familie aus unserer Gemeinde bekommen, nachdem wir schon die Hoffnung fast aufgegeben hatten, mal ein echtes amerikanisches Thanksgiving zu erleben. Darauf sind wir nun echt gespannt!
Außerdem kommen an dem darauffolgenden Wochenende einige Freiwillige aus Washington, New York und Philly zu Besuch. Es wird also wieder einiges zu tun geben!

Eine Sache möchte ich außerdem an dieser Stelle noch loswerden. Ich höre immer mal wieder, wie viele Leute regelmäßig meinen Blog lesen und sich für meine Arbeit interessieren. Und ich bekomme immer wieder Mails, Nachrichten und Kommentare aus der Heimat geschickt.
DANKE DAFÜR!
Das freut mich wahnsinnig!

Bis dahin inzwischen ganz schön frostige Grüße aus Camden

Christopher

 

P.S.: Meine Eltern waren mit der (vor einigen Wochen hier beschriebenen) Einordnung als "links-liberaler" Haushalt nicht so richtig einverstanden. Also nur links. Oder bürgerlich-links. Wie auch immer. Ist ja eigentlich auch egal.

 

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Identifikation mit Deutschland

Donnerstag, 14.11.2013

Wenige Stunden nach dem Ende des letzten Blogeintrags möchte ich hier wieder beginnen.
Donnerstag vor einer Woche sind meine Mitbewohnerin und ich nämlich das erste Mal zum deutschen Stammtisch in Philadelphia gegangen.
Der deutsche Stammtisch, bzw. das "Netzwerk Philadelphia", welches dahinter steht, ist eine Art inoffizieller Verein, gegründet von unserem, bereits im letzten Eintrag erwähnten, LBA Mark, der dazu dienen soll, deutsche oder deutschsprechende Personen jeden Alters aus der Region Philadelphia miteinander in Kontakt zu bringen.
Dazu gibt es verschiedene Treffen und Veranstaltungen. Der Kern sind dabei die Stammtische die, soweit ich weiß, zwei Mal pro Woche an verschiedenen Orten stattfinden. Einer dieser Orte ist das "Brauhaus Schmitz", eine relativ typisch deutsche Gaststätte, in Philadelphia, wo wir eben letzte Woche vorbei geschaut haben.
Kurzes Fazit: Es hat sich gelohnt! Der Abend war total toll und wir hatten echt jede Menge Spaß, viel Gesprächsstoff und wir haben einige echt nette Leute kennen gelernt.
Unter anderem eine amerikanische Studentin, die 3 Jahre in Bremen studiert hat und eine Post-Doktorantin aus Thüringen, die seit einigen Monaten in Philadelphia lebt. Mit beiden haben wir uns einige Zeit unterhalten und eine der beiden hat mir gleich vorgeschlagen nächstes Wochenende mit auf ein Konzert zu kommen. Leider werde ich das nicht schaffen, aber ich bin mir sicher, dass sich noch einmal eine Gelegenheit dazu bieten wird!

Das darauf folgende Wochenende gab es dann gleich zwei Premieren: Einerseits hatte ich das Haus das erste Mal für mich alleine, da meine Mitbewohnerin in New York war. Zum anderen hatte ich letzten Samstag das erste Mal an einem Wochenende einen ganzen Tag nichts zu tun! Es war herrlich! Die letzten Wochen hatten wir immer eine Menge Programm. Egal ob Washington, New York, Philadelphia, Atlantic City oder Fußball. Irgendwas gab es immer. Umso schöner war es einfach mal einen ganzen Tag einfach nur zu faulenzen.

Allerdings ging das nicht das ganze Wochenende - das wäre ja verrückt! Am Sonntag waren die Philly- und Camden-Freiwilligen zusammen mit unserem LBA Mark, stellvertretend für ASF, beim Har Zion Temple, einer Synagoge ein wenig außerhalb von Philadelphia, zu einer Gedenkveranstaltung an die Reichsprogromnacht vor 75 Jahren eingeladen. Dort sollte im Rahmen der Veranstaltung dann auch noch Hannah, eine unserer Freiwilligen die sowohl im Büro von ASF, hier in den USA, als auch mit jüdischen Holocaust-Überlebenden arbeitet, eine Rede halten.
Das war für uns natürlich eine sehr spezielle Situation - eine deutsche Organisation auf einer Gedenkveranstaltung an die Reichsprogromnacht in Amerika. Aus diesem Grund waren wir alle ein wenig aufgeregt.
Bei unserer Ankunft erwies sich unsere Aufregung allerdings schnell als volkommen unbegründet, da wir total herzlich empfangen wurden und sich alle freuten, dass wir da waren.
Zu Beginn der Veranstaltung standen dann einige Reden an - unter anderem eben auch die von Hannah (Hier nachzulesen!). Diese machte ihren Job großartig und die zahlreich erschienen Gäste (die Rede war von 500 bis 600) waren begeistert.
Der Haupteil des Events war ein Konzert eines Stückes, welches zum Gedenken an die Reichsprogromnacht geschrieben wurde. Das war zwar ganz interessant aber nicht sonderlich spektakulär.
Im Anschluss an das Konzert gab es allerdings noch die Möglichkeit sich eine Ausstellung anzusehen. Außerdem hatten wir von ASF noch einen Tisch, an dem wir Info-Material verteilt haben und mit Interessierten ins Gespräch gekommen sind.
Das war der eigentlich beste Part des Abends, denn dort sind wahnsinnig viele Menschen auf uns zugekommen, haben sich für unser Kommen bedankt und viele haben gesagt, wie toll sie es finden, dass wir einen solchen Freiwilligendienst machen.

Ein Gespräch ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Ein Jude war auf mich zugekommen und erzählte mir, dass er vor einiger Zeit in Deutschland war und dass das anfangs für ihn kein leichter Schritt gewesen sei, da es nun mal das Land ist, das verantwortlich für den Holocaust war. Als er dann aber dort war, war er total überrascht wie offen und "healthy" (~gesund) Deutschland mit der Vergangenheit umgegangen sei. Als Beispiel nannte er ein Besuch in einem Technik-Museum in Berlin, in dem unter anderem ein Zug-Waggon stand, mit dem während des dritten Reiches Juden ins KZ deportiert wurden. Als er dann einen Museumswärter darauf ansprach, habe dieser geantwortet, dass das nun mal Teil der deutschen Geschichte sei. Das hat ihn anscheinend sehr beeindruckt und ihm ein Stück weit bei der Bewältigung dieser Vergangenheit geholfen.

Es gab natürlich noch viele andere Gespräche. Es würde aber hier zu weit führen, von allen zu erzählen.
Allerdings ist mir diesem Abend eine Sache klar geworden. Ich war nie jemand, der in irgendeiner Weise stolz darauf war, Deutscher zu sein. Ich konnte mich eigentlich nie besonders mit Deutschland identifizieren. Das mag zum einen an meinem links-liberal geprägten Elternhaus (Ich hoffe ihr stimmt mir da so zu 😉) liegen. Zum anderen auch an meinen eigenen politischen Standpunkten, die sich über die Jahre "herausgebildet" haben. Und es liegt mit Sicherheit auch an der deutschen Vergangenheit, die nun mal zu mir als Deutschem dazugehört.
Allerdings wurde mir an diesem Abend bewusst, dass ich mich nach den Erfahrungen, die ich in den ersten zwei Monaten als Freiwilliger in den USA gemacht habe, besser mit Deutschland identifizieren kann, als nach 18 Jahren leben in Deutschland.
Vielleicht musste ich wirklich erst so weit weg von zu Hause sein um zu begreifen, was für ein Privileg es ist, in einem solchen Umfeld wie man es in Deutschland hat, aufzuwachsen und was soziale Ungleichheit und Sozialhilfe (oder auch nicht) ausmacht oder was es wirklich bedeutet, wenn Rassismus ein Teil der Gesellschaft ist - um nur wenige Beispiele zu nennen.

Das war nun auch schon das wichtigste der vergangenen Tage. Außer vielleicht, dass wir nun angefangen haben unser Wasser zu filtern, nachdem unsere Pastorin mit den Worten "You're too young to die" (Ihr seid zu jung zum Sterben) reagiert hat, als ich ihr erzählte, dass wir das Wasser einfach aus dem Hahn trinken.
Wer weiß ob das Wasser wirklich so schlimm ist. Aber vielleicht sollten wir es nicht ausprobieren.

 

Ein wenig mehr über den Alltag in Camden und die Arbeit gibt es dann hoffentlich nächstes Mal wieder.

Bis dahin ganz liebe Grüße

Christopher

 

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Warum Chips gesund sind und wieso eigentlich jeder Mal nach Amerika muss

Donnerstag, 07.11.2013

Jedes Mal wenn es wieder Zeit für einen neuen Blogeintrag ist, überlege ich mir wie es mir möglich ist die amerikanische Mentalität, das amerikanische Lebensgefühl, das so voll kommen anders ist als das, was von Medien und Politik in Deutschland transportiert wird, in Worte zu fassen.
Vielleicht die Situation vor einigen Tagen im Shelter. Ich saß gerade vor meinem Teller mit dampfendem Mittagessen, als plötzlich dieser breitschultrige Afro-Amerikaner auf mich zu kommt und mit den Worten "That's good for you! Welcome to America!" einen riesigen Haufen Chips auf meinen Teller schüttet.
Oder vor etwa vier Wochen vor unserem ersten Besuch in New York. Ich unterhielt mich gerade auf deutsch mit meiner Mitbewohnerin darüber, ob hier eine ATM-Machine (Geldautomat) in der Nähe sei, als uns plötzlich ein Amerikaner ansprach und uns, nur weil wir das Wort ATM (komischerweise auf Englisch) benutzt hatten, von sich aus den Weg zum nächsten Geldautomaten erklärte.
In Deutschland hätte ich es vielleicht als erfreuliche Ausnahme hingenommen und mich gefreut. Hier ist die freundliche Grundeinstellung einfach die Mentalität.

Wahrscheinlich könnte ich schon jetzt, nach meinen noch nicht einmal 2 Monaten in den Staaten, unzählige solcher kleinen Geschichten erzählen, die das "Amerika-Feeling" ausmachen. Aber man kann eine Mentalität einfach nicht beschreiben. Amerika muss man erleben!
Allerdings gibt es natürlich auf der anderen Seite auch eine Menge komische, verrückte Menschen und sicherlich auch ziemlich viele Idioten - von Politik will ich gar nicht erst anfangen. Vor einigen Tagen zum Beispiel, als wir Philly- und Camden-Freiwilligen zum Essen eingeladen waren, erzählte eine Frau die ebenfalls anwesend war, dass sie vor kurzem von ihrem Bruder gebeten worden wäre, ihm eine Waffe zu kaufen - Für den Fall einer Zombieapokalypse.

Am Ende komme ich aber immer wieder zu dem Schluss, dass man diese facettenreichen Erlebnisse und Erfahrungen einfach nicht annähernd in Worte fassen kann.
Deswegen die Empfehlung an alle, die die Gelegenheit haben: Macht euch ein eigenes Bild von Amerika!

Am Samstagmorgen haben meine Mitbewohnerin und ich uns endlich das erste Mal aufgerafft und sind zum Camden Youth Soccer Club (CYSC) gegangen, nachdem wir es uns vorher bereits eigentlich jede Woche vorgenommen hatten. Das ist eine Art Fußballprojekt, dass jede Woche Samstag von 10 bis 12 Uhr stattfindet. Dort werden Kinder von 4 - 14 Jahren unverbindlich trainiert. CYSC ist die einzige Möglichkeit für Jugendliche in Camden Fußball außerhalb der Schule zu spielen. Von dem Projekt haben wir von einer unserer Vorgängerinnen erfahren, die dort letztes Jahr bereits trainiert hatte und uns die E-mail-Adresse des Organisators Gerald hinterlassen hatte.
Nach circa 45 Minuten joggen (wir haben uns nur einmal verlaufen!) kamen wir endlich auf dem Fußballplatz an und waren erstmal total überrascht wie viele Kinder da waren. Während einem kurzen Gespräch mit Gerald erfuhren wir dann, dass heute trotz gutem Wetter leider nicht so viele Kinder da waren. Normalerweise hätten sie wohl über 100 Kinder. What?! Naja.  
Die Kinder sind beim CYSC immer nach dem Alter in Gruppen eingeteilt und zur besseren Übersichtlichkeit tragen sie Socken in den Farben ihrer Altersgruppe. Ich habe leider keine Ahnung mehr welche Gruppen und welche Farben es gibt. Das einzige was mir hängen geblieben ist, ist dass wir dann beim Trainig der Red- und White-Socks helfen durften.
Das hat echt total viel Spaß gemacht und am Ende beim Abschlussspiel  war ich echt froh nach einer gefühlten Ewigkeit endlich noch mal ein bischen kicken zu dürfen!
Hoffentlich schaffe ich es in Zukunft öfter dort hin zu gehen.

Abends hatte der Länderbeauftragte (LBA - hat ASF eigentlich für alles eine Abkürzung??) von ASF, Mark, uns Philly- und Camden-Freiwillige dann noch zum Pizza-Essen zu sich nach Hause eingeladen.
Einen LBA gibt es in jedem Land, in das ASF Freiwillige entsendet. Dieser ist gleichzeitig auch Chef des dortigen Landesbüros und macht so ziemlich alles an Arbeit was in dem jeweiligen Land anfällt. Das bedeutet von der Planung der Seminare, die vier Mal im Jahr stattfinden, über die Besuche jedes einzelnen Projektes die zwei Mal im Jahr stattfinden, bis Hin zur "einfachen" Ansprechperson für die Freiwilligen so ziemlich alles.
Dies ist eine Besonderheit bei ASF, da ASF die einzige Entsendeorganisation für Freiwilligendienste in Deutschland ist, die in jedem "Entsendeland" einen solchen Mitarbeiter beschäftigt, was ich persönlich wahnsinnig wichtig finde!

Dort waren wir auf jeden Fall eingeladen, worüber wir uns total gefreut haben, da Mark zum einen super nett ist und zum anderen, weil wir dann auch schon einmal die Möglichkeit hatten, ein wenig Rückmeldung über unsere Arbeit in den Projekten zu geben und uns über verschiedene Probleme zu unterhalten.
Außer uns war dann noch der Partner von Mark, sowie ein Freund von ihm, den wir bereits während unserer Orientierungstage kennen gelernt hatten, mit seiner Freundin da. Alles wahnsinnig witzige, ein bischen verrückte aber total nette Leute.
Da war es natürlich klar, dass auch der Abend extrem witzig war und eine Menge lustiger Gespräche entstand.
Eigentlich waren wir später auch noch auf einem Geburtstag eines deutschen Freiwilligen der EKIR (evangelische Kirche im Rheinland) eingeladen. Allerdings hatten wir so viel Spaß bei Mark, dass wir die Uhr ein wenig aus dem Auge verloren und es dafür dann zu spät wurde.

 

Im Shelter hat sich dann seit Montag auch eine neue Situation ergeben. In der Küche in der ich hauptsächlich arbeite, haben nun innerhalb von ca. einer Woche beide "Küchenchefs" aufgehört, weswegen nun zum einen eine neue Mitarbeiterin die Küche leitet und zum anderen auf mich etwas mehr Verantwortung zu kommt, da ich nun im Grunde am zweitmeisten Erfahrung in der Küche habe (6 Wochen!!). Trotzdem bin ich mir sicher, dass das ganz gut funktionieren wird.
Als letzten Freitag dann auch der zweite der beiden "Chefs", Poogie, seinen letzten Tag hatte, war ich nachmittags trotzdem plötzlich ziemlich traurig als ich mich von ihm verabschiedet habe, wodurch mir dann zum ersten Mal bewusst wurde, dass mir einige der Leute dort schon jetzt ziemlich wichtig geworden sind.
Kurz bevor ich Schluss hatte, bat mich Poogie dann aber noch ihm meine Handynummer zu geben und versprach mir, mich anzurufen, wenn er mal in der Nähe ist, was mich total gefreut hat!

 

Das war es nun im Groben für diese Woche. Eigentlich hatte ich mir erhofft, wenn ich in kürzeren Abständen schreibe, würden die Einträge ein wenig küzer, aber das Gegenteil scheint der Fall zu sein.
Naja, vielleicht ändert sich das ja nächste Woche.

 

Liebe Grüße aus Camden

Christopher

 

Philly bei Nacht Camden bei Nacht

 

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Washington, Camden und Philadelphia

Mittwoch, 30.10.2013

Nun habe ich schon das erste kleine Ziel für meine Zeit in den USA erreicht. Letztes Wochenende bin ich zusammen mit meiner Mitbewohnerin und einem weiteren Freiwilligen aus New York von Freitag bis Sonntag nach Washington gefahren um dort einer anderen ASF-Voluntärin einen Überschungs-Gerburtstags-Besuch abzustatten. Damit habe ich nach Philadelphia und New York die dritte und damit letzte große Stadt in unserer "näheren" Umgebung besucht.

Freitag Nachmittag sind wir direkt nach der Arbeit von Philadelphia aus losgefahren und kamen gegen 18:30 Uhr in Washington an, wo wir von einer Mitbewohnerin des "Geburtstagskindes" abgeholt und zu deren Wohnung gebracht wurden. Als wir dann plötzlich ohne Ankündigung in der Küche standen war diese erst einmal vollkommen überwältigt und die Überaschung damit geglückt!

Der Abend wurde später noch richtig unterhaltsam, da außer der ASF-Gruppe unter anderem noch zwei Amerikanerinnen und ein Östereicher eingeladen waren. Mit diesem diskutierten wir dann noch bis spät in die Nacht über Themen von der Rolle Österreichs während des dritten Reiches über die politische Situation sowie die Rolle des Faschismus in Österreich heute bis hin zu Vorurteilen gegenüber Deutschland bzw. Österreich, was wahnsinnig viel Spaß gemacht hat. Außerdem war es irgendwie schon lustig viele, viele Kilometer entfernt von zu Hause mit einer fremden Person, in einem fremden Haus über die "Heimat" zu diskutieren. 

Am nächsten Tag klapperten wir dann den typischen Touristen-Kram in Washington ab, besuchten gefühlte 20 Wasweißich-Kriegs-Memorials (die allerdings alle sehr interessant gestaltet wurden), machten Bilder vor der Rückseite des weißen Hauses schauten von weitem auf das Kapitol und genossen es einfach mal in einer "reichen" Stadt zu sein.

Denn auch wenn ich wirklich gerne hier in Camden lebe und arbeite, empfinde ich die allgegenwärtige Armut doch auf die Dauer ziemlich bedrückend und da tut es einfach gut ab und zu mal etwas anderes zu sehen. Deswegen bin ich auch letzten Montag direkt nach der Arbeit einfach mal nach Philly gefahren und habe zu Fuß die Stadt erkundet, was echt gut getan hat.

Da diesen Freitag ein Fundraising-Diner der Schule stattfindet, in der meine Mitbewohnerin arbeitet, bei der auch die Pastorin anwesend sein muss, werde ich diesen Freitag den Gottesdienst das erste Mal alleine machen müssen. Ich bin echt gespannt wie das so ablaufen wird. Allerdings ist das kein normaler, formeller Gottesdienst. Stattdessen wird viel gesungen und man sitzt zusammen um über eine Geschichte aus der Bibel zu diskutieren. Das ganze erinnert mich ein wenig an eine Mischung aus CVJM und Konfirmations-Unterricht. Trotzdem wird das sicherlich spannend und eine neue Erfahrung.

Heute Nachmittag wurde ich dann noch von meiner (ein wenig aufgeregten) Mitbewohnerin angerufen, da gerade ein Auto einen Unfall direkt vor unserer Kirche gebaut hat und dabei die ziemlich massive Informationstafel der Kirche völlig zerstört hat. Als ich raus kam standen bereits mehrere Polizeiwagen, ein Feuerwehrauto und ein Wagen vom Abschleppdienst dort. Von der Pastorin erfuhr ich dann, dass wohl ein 17-jähriger Fahrer mit zu vielen Mitfahrern (in der USA dürfen Fahranfänger maximal zwei Personen im Auto mitnehmen) zu schnell unterwegs war, einem entgegenkommenden Fahrzeug ausweichen musste und dabei frontal in das besagte Schild raste. Die Insassen wurden alle ins Krankenhaus gebracht. Soweit ich weiß geht es aber allen gut.

Wie ihr seht ist noch immer viel los hier und ich bekomme so schnell keine Langeweile.

Am Ende möchte ich noch einen Link empfehlen, den ich von einem ASF-Freiwilligen aus Detroit bekommen habe und der sehr gut die Situation in Camden verdeutlicht.

http://demographics.coopercenter.org/DotMap/index.html

Dort einfach mal links auf "Add Map Labels" klicken und ganz nah an Philadelphia ranzoomen. Direkt daneben kann man dann Camden finden.
Die Karte zeigt die verschiedenen ethnischen Gruppierungen, grafisch verdeutlicht.

Liebe Grüße aus dem mittlerweile viel zu kalten Camden

Christopher

 

P.S.: Noch einige Bilder: Kapitol Washington, Eastern Market Eashington, Philadelphia, Küche des Shelters, Essenssaal des Shelter

 

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Atlantic City, New York und der ganz normale Alltag in Camden

Sonntag, 20.10.2013

So. Nun auch noch der angekündigte Beitrag zu den letzten Ereignissen in meinen Projekten und drumherum.
Gerade eben habe ich noch mal nach geguckt wann ich den letzten "normalen" Beitrag eingestellt habe und habe entsetzt festgestellt, dass der nun schon mehr als drei Wochen zurück liegt. Die Zeit vergeht einfach echt wie im Flug!

In der Zeit ist jetzt schon wieder so viel passiert, dass eigentlich ein Eintrag bei weitem nicht ausreicht aber ich gebe mein Bestes einen kurzen Überblick zu geben.

Ein freies Wochenende hatte ich bis jetzt leider (oder zum Glück?) noch nicht, da es einfach zu viele Dinge zu erleben gibt. Die zwei größten Unternehmungen die ich bis jetzt angestellt habe, waren zwei "Städtereisen". Zum einen waren wir am 6. Oktober in Atlantic City. Atlantic City ist eine Stadt, die ca. eine Stunde östlich von Camden und damit direkt an der Küste liegt. Wir wollten dort einfach einen der letzten richtig heißen Tage genießen und sind den ganzen Tag am Strand entlang geschlendert, weil es dort leider außer der Strandpromenade nicht viel zu sehen gibt. Antlantic City ist bekannt für seine vielen großen Casinos und gilt deswegen ein bischen als das kleine Las Vegas. Da wir alle noch keine 21 und damit in Amerika nicht volljährig sind, ist das allerdings für uns ziemlich uninteressant. Trotzdem haben wir den Tag sehr genossen!

Die zweite Sache war dann unser Trip nach New York von Sonntag auf Montag, letztes Wochenende! Wir sind erst Sonntag Abend in New York angekommen, da ich bis Mittags noch in der Gemeinde arbeiten musste und aufgrund der Lichverhältnisse war alles noch ein bischen spektakulärer. Den ersten Blick auf die Skyline von Manhattan und die Freiheitsstatue erlangten wir, während dem Sonnenuntergang aus unserem Bus, was schon mal sehr beeindruckend war!
Doch noch viel spektakulärer war es, als wir einige Zeit später (die Sonne war inzwischen vollständig untergegangen) aus der U-Bahn, die uns zu der Wohnung einer anderen Freiwilligen bringen sollte, stiegen und plötzlich mitten auf dem Times Square in New York standen! Wir waren völlig geflasht! Es war taghell, überall leuchteten riesige Reklametafeln und es sah wirklich genauso aus, wie man es sich vorstellt - nur noch eine Spur größer. Plötzlich kam ich mir in mitten der Menschenmenge unter den riesigen Wolkenkratzern ganz schön klein vor.
Leider hatten wir aber insgesamt nicht so viel Zeit in NY und mussten Montag Nachmittag schon wieder zurück fahren. Aber das wird defintiv nicht mein letzter Besuch dort gewesen sein!

Auch auf der Arbeit läuft es immer besser und ich bekomme so langsam schon ein wenig Routine. Außerdem mache ich vor allem bei meiner Arbeit im Shelter immer wieder neue Bekanntschaften und führe echt tolle Gespräche! Mal ist es ein Ex-Soldat der US-Airforce der mir von seiner Zeit als Soldat in Deutschland erzählt. Dann wiederrum ein Obdachloser Mitarbeiter des Shelters, mit dem ich mich über die Gründe seiner persönlichen Situation unterhalten habe.
Eine Sache die ich aber hier vor allem bei der Arbeit mit den Obdachlosen sehr schnell lernen musste war, dass es eigentlich ziemlich unmenschlich ist, Personen zu ignorieren, die einen (auf der Straße) ansprechen. In Deutschland habe ich mir unbewusst angewöhnt Menschen, die mich nach Geld fragen, einfach zu ignorieren. Hier wurde mir erst einmal bewusst, dass das eigentlich ziemlich unfair ist und deswegen versuche ich jetzt entweder etwas Geld zu geben, oder zumindest höflich zu bleiben und zu sagen, dass ich gerade nichts geben kann oder möchte.

Und in der Regel sind die Leute auch echt verständnissvoll, wenn man nichts gibt oder sie freuen sich total, wenn man doch ein bischen abgeben kann.
So war es zum Beispiel letzten Freitag, als ich auf dem Rückweg von der Arbeit von einem Mann angesprochen wurde, ob ich einen Quarter (Viertel-Dollar) für ihn hätte. Als ich mein Portemonnaie rauskramte fragte er mich, ob ich aus Philly wäre, da ich nicht so aussähe wie jemand aus Camden. Als ich ihm dann erzählte, dass ich aus Deutschland käme, in Camden wohne und für ein Jahr hier voluntieren würde war er sofort total begeistert und ohne Vorwarnung erzählte er mir plötzlich seine gesamte Familiengeschichte - angefangen bei seiner Ur-Ur-Großmutter, die vor vielen, vielen Jahren aus Deutschland in die USA ausgewandert sei, über sein Onkel der aus einer armen Familie stamme und nun sehr erfolgreicher Grafiker in Florida sei bis zu seinen Sohn der ganz stolz darauf sei, von deutschem Blut zu sein und nun zusammen mit ihm versuche Deutsch zu lernen.

Es ist einfach eine total tolle Sache alle diese Erfahrungen hier machen zu können und so viele tolle Menschen kennen zu lernen! Deswegen genieße ich jetzt das restliche Wochenende, freue mich aber trotzdem schon wieder auf die Arbeit am Montag!

Leider gibt es bei meinem Bloganbieter anscheinend keine Möglichkeit automatisch über neue Blogeinträge informiert zu werden. Deswegen werde ich jetzt einfach einen E-Mail-Verteiler anlegen, den ich immer auf dem laufenden halte. Wer in den Verteiler aufgenommen werden möchte, kann mir einfach eine Nachricht über das Kontaktformular oder eine E-Mail schicken.

Viele Grüße aus Camden

Christopher

 

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Kriminalität und Armut in Camden

Mittwoch, 16.10.2013

Heute möchte ich statt einem weiteren Statusupdate, einen Beitrag außer der Reihe schreiben. Da das Thema Kriminalität/Armut eben eine sehr wichtige Rolle in Camden spielt, möchte ich ein wenig über die Situation der letzten Jahre hier schreiben und auch meinen eigenen Eindruck und die aktuelle Situation schildern.

 

Zur Kriminalität in Camden sagt Wikipedia: "Basierend auf den Statistiken des FBI war Camden hinsichtlich der Kriminalität die zweitgefährlichste Stadt in den USA im Jahr 2002; 2004 und 2005 wurde sie auf die Gefährlichste Stadt in den USA hochgestuft. Im Jahr 2008 nahm Camden den zweiten Platz dieser Statistik ein, die auf Kriminalstatistiken in sechs Kategorien basiert: Morde, Vergewaltigungen, Raubüberfälle, schwere Körperverletzung, Einbrüche und Fahrzeugdiebstähle. [...]Durch die geringe Polizeipräsenz infolge der Kürzungen haben vor allem im Süden der Stadt sogenannte Gangs den Drogenhandel übernommen. Im Jahr 2011 gab es 49 Schussopfer."


Diese Statistik zeigt sehr deutlich, dass die Kriminalität in Camden eine sehr große Rolle spielt. Das haben meine Mitbewohnerin und ich als erstes dadurch gespürt, dass so etwas selbstverständliches, wie unsere Bewegungsfreiheit, eigeschränkt wurde. Von Anfang wurde uns klar gemacht, dass wir nach Einbruch der Dunkelheit, momentan ca. 18:20, keinen Fuß mehr vor die Tür setzen sollten. Damit sind wir beide noch nicht so wirklich zufrieden, allerdings wird uns wohl langfristig nichts anderes übrig bleiben, als uns daran zu halten.

Allerdings wird die Armut und Kriminalität auch auf andere Weise deutlich. So wurde ich zum Beispiel gleich an einem der ersten Tage auf dem Weg zur Arbeit von einem fremden Mann angesprochen. Erst habe ich gar nicht verstanden was er von mir wollte und ich wurde plötzlich ziemlich nervös, als er mich mit ihm mit zu gehen. Kurz darauf fragte er mich "was ich brauche". Glücklicherweise konnte ich ihm ziemlich schnell klar machen, dass ich keine Drogen kaufen will. Trotzdem war es ein komisches Gefühl angesprochen zu werden, allein augrund der Tatsache, dass ich wohlhabend aussehe. Ein Aussehen, das für mich in Deutschland bisher Selbstverständlichkeit war - hier fällt man damit auf.

Für die Menschen die hier leben ist die Armut trauriger Alltag. Doch es gab auch Zeiten in denen es nicht so war. Der Hausmeister unserer Gemeinde (wahnsinnig netter Kerl!) erzählte mir zum Beispiel vor einiger Zeit, dass seine Mutter immer von den Zeiten erzählen würde, als Camden eine friedliche, kleine Hafenstadt war, die Kinder draußen gespielt hätten und von Armut und Kriminalität quasi keine Spur war. Camden war keine außergewöhnliche Stadt, aber aufgrund von einigen ansässigen Industrieunternehmen gab es genug Arbeitsplätze ür den Großteil der Bevölkerung.

Doch nach und nach zogen die Unternehmen aus Camden weg und die Arbeitslosigkeit stieg - und damit begann ein Teufelskreis aus dem Camden sich noch bis vor wenigen Jahren nicht herauskämpfen konnte. Nach der Meinung unseres Hausmeisters, der nun schon seit vielen Jahren in Camden lebt und selber einige Zeit obdachlos war, war der Hauptgrund für den Verfall Camdens, dass die Regierung mit dem Zustand der Stadt zufrieden war - auch als die Arbeitslosigkeit und damit auch die Armut anstieg und Unternehmen aus Camden wegzogen. Viel zu spät habe man begonnen Maßnahmen gegen die Armut zu ergreifen. Bis die Stadt dann völlig am Boden war und dies auch für viele Jahre blieb. Zum Verhängniss wurde der Stadt vor allem, dass die Grundstückspreise drastisch sanken und damit auch die Grundsteuereinnahmen, welche in den USA die Haupteinnahmequelle auf kommunaler Ebene darstellen, wegbrachen. Verschlimmert wurde die Situation zudem vor wenigen Jahren, als sehr große Teile der Polizei und Feuerwehr entlassen wurden, um Geld zu sparen.

Doch nicht alles ist schlecht in Camden.Seit einiger Zeit ist ein zarter Aufwärtstrend erkennbar: Die verblieben 280 Camdener Polizisten wurden nun vollständig entlassen. Stattdessen hat der Staat New Jersey die Hoheit über die Polizeiarbeit übernommen und 400 neue Polizisten eingestellt, die nun für Recht und Ordnung in Camden sorgen sollen. Und das zeigt Wirkung: Eine ehemalige ASF-Freiwillige die vor drei Jahren in Philadelphia war und deswegen natürlich auch die Situation in Camden mitbekommen hat, erzählte uns, dass es zu ihrer Zeit Stadt-Viertel gab, in die sich die Polizei schlicht und einfach nicht herein traute. Wählte jemand aus dieser Gegend den Polizei-Notruf kam niemand zur Hilfe.

Das hat sich nun geändert, was auch ich deutlich spüre. Eine der gefährlichsten Gegenden ist Camden-Downtown, so etwas wie das Zentrum von Camden. Dort befindet sich auch New Visions - eines meiner beiden Projekte. Auf meinem Weg zur Arbeit begegne ich dort nun jeden Morgen einigen Polizisten. Man merkt hier deutlich, dass die Polizei sich bemüht Präsenz zu zeigen. Und auch in den "Randbezirken" sieht man immer wieder Polizeistreifen umher fahren, was vor einigen Jahren noch die absolute Ausnahme war.

Abgesehen davon kursiert nun auch seit einiger Zeit ein Flyer in der Stadt, auf dem ein größeres Unternehmen (keine Ahnung was genau) ankündigt eine Firma in Camden zu eröffnen und 1.000 (!!!) neue Mitarbeiter einzustellen.

Natürlich sind beides nur sehr kleine Schritte. Camden ist immer noch eine extrem arme Stadt und hat einen wahnsinnig weiten Weg vor Sich. Aber dennoch zeigt dies und einige andere kleine Dinge, dass ein Aufwärtstrend erkennbar ist, der Hoffnung macht auf eine bessere Zukunft, die anknüpft an die Zeiten in denen der Name "Camden" noch nicht mit Kriminalitätsstatisken und Horrorgeschichten verbunden wurde. An eine Zeit in der Camden als florierende Handels- und Industriestadt noch so etwas wie der Inbegriff der Industriealisierung war.

 

 

Ich hoffe, dass ich es im Laufe der Woche noch schaffe ein Bericht über die letzte/n Woche/n und mein Wochenendtrip nach New York reinzustellen.

Bis dahin viele Grüße

Christopher