Kriminalität und Armut in Camden

Mittwoch, 16.10.2013

Heute möchte ich statt einem weiteren Statusupdate, einen Beitrag außer der Reihe schreiben. Da das Thema Kriminalität/Armut eben eine sehr wichtige Rolle in Camden spielt, möchte ich ein wenig über die Situation der letzten Jahre hier schreiben und auch meinen eigenen Eindruck und die aktuelle Situation schildern.

 

Zur Kriminalität in Camden sagt Wikipedia: "Basierend auf den Statistiken des FBI war Camden hinsichtlich der Kriminalität die zweitgefährlichste Stadt in den USA im Jahr 2002; 2004 und 2005 wurde sie auf die Gefährlichste Stadt in den USA hochgestuft. Im Jahr 2008 nahm Camden den zweiten Platz dieser Statistik ein, die auf Kriminalstatistiken in sechs Kategorien basiert: Morde, Vergewaltigungen, Raubüberfälle, schwere Körperverletzung, Einbrüche und Fahrzeugdiebstähle. [...]Durch die geringe Polizeipräsenz infolge der Kürzungen haben vor allem im Süden der Stadt sogenannte Gangs den Drogenhandel übernommen. Im Jahr 2011 gab es 49 Schussopfer."


Diese Statistik zeigt sehr deutlich, dass die Kriminalität in Camden eine sehr große Rolle spielt. Das haben meine Mitbewohnerin und ich als erstes dadurch gespürt, dass so etwas selbstverständliches, wie unsere Bewegungsfreiheit, eigeschränkt wurde. Von Anfang wurde uns klar gemacht, dass wir nach Einbruch der Dunkelheit, momentan ca. 18:20, keinen Fuß mehr vor die Tür setzen sollten. Damit sind wir beide noch nicht so wirklich zufrieden, allerdings wird uns wohl langfristig nichts anderes übrig bleiben, als uns daran zu halten.

Allerdings wird die Armut und Kriminalität auch auf andere Weise deutlich. So wurde ich zum Beispiel gleich an einem der ersten Tage auf dem Weg zur Arbeit von einem fremden Mann angesprochen. Erst habe ich gar nicht verstanden was er von mir wollte und ich wurde plötzlich ziemlich nervös, als er mich mit ihm mit zu gehen. Kurz darauf fragte er mich "was ich brauche". Glücklicherweise konnte ich ihm ziemlich schnell klar machen, dass ich keine Drogen kaufen will. Trotzdem war es ein komisches Gefühl angesprochen zu werden, allein augrund der Tatsache, dass ich wohlhabend aussehe. Ein Aussehen, das für mich in Deutschland bisher Selbstverständlichkeit war - hier fällt man damit auf.

Für die Menschen die hier leben ist die Armut trauriger Alltag. Doch es gab auch Zeiten in denen es nicht so war. Der Hausmeister unserer Gemeinde (wahnsinnig netter Kerl!) erzählte mir zum Beispiel vor einiger Zeit, dass seine Mutter immer von den Zeiten erzählen würde, als Camden eine friedliche, kleine Hafenstadt war, die Kinder draußen gespielt hätten und von Armut und Kriminalität quasi keine Spur war. Camden war keine außergewöhnliche Stadt, aber aufgrund von einigen ansässigen Industrieunternehmen gab es genug Arbeitsplätze ür den Großteil der Bevölkerung.

Doch nach und nach zogen die Unternehmen aus Camden weg und die Arbeitslosigkeit stieg - und damit begann ein Teufelskreis aus dem Camden sich noch bis vor wenigen Jahren nicht herauskämpfen konnte. Nach der Meinung unseres Hausmeisters, der nun schon seit vielen Jahren in Camden lebt und selber einige Zeit obdachlos war, war der Hauptgrund für den Verfall Camdens, dass die Regierung mit dem Zustand der Stadt zufrieden war - auch als die Arbeitslosigkeit und damit auch die Armut anstieg und Unternehmen aus Camden wegzogen. Viel zu spät habe man begonnen Maßnahmen gegen die Armut zu ergreifen. Bis die Stadt dann völlig am Boden war und dies auch für viele Jahre blieb. Zum Verhängniss wurde der Stadt vor allem, dass die Grundstückspreise drastisch sanken und damit auch die Grundsteuereinnahmen, welche in den USA die Haupteinnahmequelle auf kommunaler Ebene darstellen, wegbrachen. Verschlimmert wurde die Situation zudem vor wenigen Jahren, als sehr große Teile der Polizei und Feuerwehr entlassen wurden, um Geld zu sparen.

Doch nicht alles ist schlecht in Camden.Seit einiger Zeit ist ein zarter Aufwärtstrend erkennbar: Die verblieben 280 Camdener Polizisten wurden nun vollständig entlassen. Stattdessen hat der Staat New Jersey die Hoheit über die Polizeiarbeit übernommen und 400 neue Polizisten eingestellt, die nun für Recht und Ordnung in Camden sorgen sollen. Und das zeigt Wirkung: Eine ehemalige ASF-Freiwillige die vor drei Jahren in Philadelphia war und deswegen natürlich auch die Situation in Camden mitbekommen hat, erzählte uns, dass es zu ihrer Zeit Stadt-Viertel gab, in die sich die Polizei schlicht und einfach nicht herein traute. Wählte jemand aus dieser Gegend den Polizei-Notruf kam niemand zur Hilfe.

Das hat sich nun geändert, was auch ich deutlich spüre. Eine der gefährlichsten Gegenden ist Camden-Downtown, so etwas wie das Zentrum von Camden. Dort befindet sich auch New Visions - eines meiner beiden Projekte. Auf meinem Weg zur Arbeit begegne ich dort nun jeden Morgen einigen Polizisten. Man merkt hier deutlich, dass die Polizei sich bemüht Präsenz zu zeigen. Und auch in den "Randbezirken" sieht man immer wieder Polizeistreifen umher fahren, was vor einigen Jahren noch die absolute Ausnahme war.

Abgesehen davon kursiert nun auch seit einiger Zeit ein Flyer in der Stadt, auf dem ein größeres Unternehmen (keine Ahnung was genau) ankündigt eine Firma in Camden zu eröffnen und 1.000 (!!!) neue Mitarbeiter einzustellen.

Natürlich sind beides nur sehr kleine Schritte. Camden ist immer noch eine extrem arme Stadt und hat einen wahnsinnig weiten Weg vor Sich. Aber dennoch zeigt dies und einige andere kleine Dinge, dass ein Aufwärtstrend erkennbar ist, der Hoffnung macht auf eine bessere Zukunft, die anknüpft an die Zeiten in denen der Name "Camden" noch nicht mit Kriminalitätsstatisken und Horrorgeschichten verbunden wurde. An eine Zeit in der Camden als florierende Handels- und Industriestadt noch so etwas wie der Inbegriff der Industriealisierung war.

 

 

Ich hoffe, dass ich es im Laufe der Woche noch schaffe ein Bericht über die letzte/n Woche/n und mein Wochenendtrip nach New York reinzustellen.

Bis dahin viele Grüße

Christopher